Abfallentsorgung als Wohlfühlübung

Bekanntlich ist in der Schweiz Abfall nicht gleich Abfall. Zu den altbekannten Abfällen wie Glas, Papier und Sperrgut gesellten sich in den letzten Jahren noch eine ganze Reihe weiterer Produkte, die separat gesammelt werden: Pet Flaschen, Batterien, Lampenbirnen, Altöl, Chemikalien, und dann die ganzen Life-Style Produkte wie Brita Filter, Nescafe Kapseln, etc. Bei uns im Dorf gibt es deshalb einmal pro Woche die Möglichkeit, seinen Abfall unter fachkundiger Supervision der Gemeindeangestellten bei der öffentlichen Sammelstelle abzugeben.

So kommt es, dass einmal pro Woche ein stetiger Strom von SUVs und Familienkombis sich in eine Ecke des Dorfes bewegt und dort den gemeinschaftlichen Umweltschutz zelebriert. Das Karton von der Bücherbestellung auf Amazon in den Container, die leere Bodyshop Lotion Tube ins — welche Nummer hats im Dreieck schon wieder? — eine zwei, also zu den PE behältern. Die Waschmittelnachfüllpackung ist zwar ebenfalls PE, darf aber nicht in den gleichen Behälter, da es nur eine Folie ist. Nachdem alles fein säuberlich im rechten Behälter gelandet ist und man noch kurz mit dem Nachbarn geschwatzt hat, fährt man mit der Genugtuung nach Hause, wieder einmal für eine bessere Welt gesorgt zu haben.

Die öffentliche Sammelstelle macht das Wegwerfen zu einer Guten Sache. Abfall wird zu einem Objekt, mit dem etwas Gutes für den Schutz der Umwelt getan werden kann. Vergessen geht dabei, dass ein Produkt nicht erst dann eine Belastung für die Umwelt wird, wenn es Abfall ist. Schon vorher hinterlässt es eine Spur der Zerstörung in der Welt, und eine umweltgerechte Entsorgung schmälert zwar die endgültigen negative Folgen, macht die negative Wirkung des Produktes aber nicht ungeschehen.

Es scheint natürlich etwas polemisch, von einer Spur der Zerstörung zu sprechen. Doch letztlich wird diese Spur indirekt selbst bei der Entsorgung sichtbar. Wenn 2 bis 3 Dutzend mittelschwere Autos mit einigen Schachteln Abfall an der Sammelstelle auffahren, wird der Umweltschutz schon gleich relativiert. Ob die Umwelt letztendlich wirklich besser da steht, wenn ein Bund Zeitungen im normalen Haussmüll entsorgt wird oder mit einem Familienauto 2 Kilometer gefahren wird, ist fraglich. Man spart sich das Abholzen eines Baumes für neues Papier, bläst dafür einige Gramm CO2 zusätzlich in die Athmosphäre. Für die Natur wohl ein Nullsummenspiel, doch der Mensch gewinnt dadurch das Gefühl, etwas Gutes getan zu haben.

Wer wirklich etwas für die Umwelt tun will, vermeidet möglichst, Abfall zu produzieren. Banaler geht es kaum, und dieses Prinzip ist auch schon lange bekannt. Zwar sind die Möglichkeiten dazu für die Normalbürger beschränkt, doch werden die vorhandenen Möglichkeiten auch ausgeschöpft? So werden laut Statistik Handys in der Schweiz zum Beispiel im Schnitt nur 18 Monate benutzt. Würde die durchschnittliche Nutzungsdauer um nur 6 Monate länger dauern, endeten pro Jahr schätzungsweise fast eine Million Handys weniger im Abfall.

Das Beispiel der Handies zeigt aber das Paradoxe am Problem Abfall. Sollten die Menschen ihr Handy wirklich 6 Monate länger benutzen, bedeutet das nicht nur rund 1 Million weniger Handys im Abfall, sondern auch, dass 1 Million weniger neue Handys verkauft werden. Die Folgen davon müssten die Ökonomen durchrechnen, doch vermutlich gäbe es ein vernichtendes Urteil: fallende Börsenkurse bei den Handy Anbietern pizza kurier bern , Entlassungen, ein Dämpfer beim Wirtschaftswachstum. Und mit diesem letzten Punkt sind wir beim grundlegenden Axiom der heutigen Gesellschaft angekommen: Wirtschaftswachstum. Diesem Prinzip hat sich letztendlich alles zu Unterwerfen, auch der Umweltschutz.

Abfallentsorgung wird deshalb nicht zu einer Frage des Umweltschutzes, sondern zu einer Frage des Wirtschaftswachstum. Die Wirtschaft hängt stark davon ab, dass die Leute Altes mit Neuem Ersetzen. Abfallvermeidung durch längeren Gebrauch von Produkten hat deshalb verheerende Konsequenzen für die Wirtschaft. Neues kann nur verkauft werden, wenn das Alte entsorgt wird. Und die Entsorgung des Alten ist attraktiver, wenn es zu einem wohltuenden Akt wird, zu einem guten Dienst an der Umwelt.

Und diese Aufgabe haben diverse Sammelstellen Erfolgreich übernommen. Es ist eine gute Tat, den alten Fernseher beim Geschäft abzugeben — der neue braucht sowieso viel weniger Strom. Man schützt die Umwelt, wenn die gebrauchten Shampooflaschen in die Sammelstelle gefahren werden. So kann ich unbeschwert neue kaufen. Ich gebe meine Kleider an irgend ein Hilfswerk für die armen Leute in der Welt, so kann ich ohne schlechtes Gewissen neue kaufen.

Bis vor kurzem war die Entsorgung der Punkt im Produktekreislauf, wo die Wirtschaft kaum Einfluss auf den Konsumenten hatte. Doch auch diese Zone ist zum Kampffeld des freien Marktes geworden, ein Markt, der alles dran gibt, die Attraktivität des Wegschmeissen zu steigern. Und so überrascht der Slogan von brings.ch auch nicht: “So machen Sie aus Ihrem Einkaufsbummel auch gleich einen Entsorgungsbummel!

Somit wird umweltgerechte Entsorgung ein Stück weit zum misnomer. Zwar ist es zweifellos besser, Abfall zu recyclen, wieder zu verwenden, korrekt zu vernichten, als hinter dem Haus in den Wald zu werfen. Doch Abfallentsorgung als Ermutigung zum Wegwerfen noch brauchbarer Sachen schützt die Umwelt letztlich nicht.

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